Frieda Belinfante (* 10. Mai 1904 in Amsterdam; † 5. März 1995 in Santa Fe, New Mexico) war eine niederländisch-amerikanische Cellistin, Dirigentin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus.
Frieda Belinfante
Sie gründete gemeinsam mit Frauen der Künstlervereinigung Kunst voor Allen, als erste weibliche Dirigentin in Europa, ihr eigenes Orchester. Dieses Kammerorchester trug den Namen Kleine Orkest und trat zum ersten Mal 1938 im Concertgebouw auf. Bei einem von Hermann Scherchen organisierten Dirigierwettbewerb in der Schweiz 1939 belegte Frieda Belinfante als einzige Frau im Wettbewerb den ersten Platz.
Für Verdienste um den Aggressiven Humanismus: Frieda Belinfantes Gedenkmünze
Mit Beginn der deutschen Besatzung der Niederlande durch die Wehrmacht 1940 begingen Belinfantes Bruder und dessen Frau Selbstmord. Frieda löste ihr Orchester auf, da sie einige jüdische Mitglieder des Orchesters nicht gefährden wollte. Nach der Zwangsgründung der an das Modell der deutschen NS-»Reichskulturkammer« angelehnten niederländischen »Kulturkammer« mussten alle holländischen Künstler eine sogenannte
»Ariererklärung« abgeben oder eine Ausnahmeregelung beantragen, um weiter als Musiker arbeiten zu können. Belinfante, die der NS-Rassenideologie zufolge als sogenannte »Halbjüdin« eingestuft wurde, weigerte sich, diese Ausnahme zu beantragen, weil für sie diese Art der Menschenselektion nicht in Frage kam. Sie ging schließlich in den Widerstand.
Um die jüdischen Mitglieder ihres Orchesters sowie ihre Freundinnen und Kolleginnen vor Repressalien seitens der Gestapo zu schützen, begann sie im Alleingang, Ausweisdokumente zu fälschen. Später händigte sie die Dokumente an einen erweiterten Kreis an Personen aus, die von der Gestapo gesucht wurden. Diesen Akt des Widerstands führte Belinfante wenig später mit einem Netzwerk aus Kunstschaffenden fort, darunter der niederländische Kunstmaler und Schriftsteller Willem Arondeus sowie der niederländische Bildhauer Gerrit van der Veen. Beide waren Mitglieder der Widerstandsgruppe Persoonsbewijzencentrale (PBC), welche von Gerrit van der Veen und Frans Duwaer gegründet wurde. Allein die PBC und ihr Team aus Grafikern,
Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland: Frieda Belinfante
Druckern und Papierfachleuten produzierte rund 65.000 gefälschte Personaldokumente. Die gefälschten Pässe verfügten jedoch über eine falsche Identifikationsnummer, die gültigen Pässe hingegen waren durchnummeriert und ein Duplikat von jedem Dokument jeweils im Einwohnermeldeamt von Amsterdam hinterlegt. Würde ein gefälschter Ausweis von einem SS-Beamten entdeckt werden, wäre offenkundig, dass von einem Exemplar mehrere im Umlauf sind, da kein Duplikat zur gefälschten Identifikationsnummer im Einwohnermeldeamt vorläge. Als der Gruppe dies klar wurde, war die Idee geboren, die Duplikate im Einwohnermeldeamt zu vernichten, schildert Belinfante in einem Interview mit dem United States Holocaust Memorial Museum im Mai 1994. Obwohl Belinfante an der Planung des Anschlages
auf das Einwohnermeldeamt Amsterdam im Herbst 1942 beteiligt war, wurde sie beim Anschlag selbst 1943 als Frau nicht geduldet.
Nach dem Attentat wurden die meisten Widerstandskämpfer verhaftet und hingerichtet. Frieda Belinfante tarnte sich mehrere Monate als Mann, um einer Verhaftung zu entgehen. Ende 1943 gelang es ihr, in die Schweiz zu fliehen und war dort in einem Flüchtlingslager untergebracht. Sie wurde aber wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Ab 1944 arbeitete sie mit Hermann Scherchen in Winterthur zusammen. Nach Kriegsende kehrte sie im Sommer 1945 in die Niederlande zurück, fühlte sich jedoch nicht mehr wohl und emigrierte 1947 in die USA.
Frieda Belinfante hat dem United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) ein fast achtstündiges Interview gegeben, das auch transkribiert wurde.
In den USA leitete sie ab Juli 1954 als Dirigentin das Orange County Philharmonic Orchestra, das gerade neu gegründet worden war. Das Orchester wurde 1962 aufgelöst; Belinfante vermutete, dass ihre sexuelle Orientierung als lesbische Frau hierbei mit den Ausschlag gegeben haben dürfte. Sie zog nach Santa Fe in New Mexico und gab Privatunterricht.
Frieda Belinfante verstarb 1995.