Die Flüchtlinge in tödlicher Falle: das Beförderungsverbot wird zur grausamen Realität. Zur Feier des großen EU-Türkei-Deals haben wir eine Arena mitten in Berlin errichtet. Mit vier libyschen Tigern. Wir suchen Flüchtlinge, die bereit sind, sich wegen des Beförderungsverbots für Flüchtlinge (§ 63 Abs. 3 AufenthG) fressen zu lassen. Ein hyperreales Rom. Eine tödliche Falle. Und ein Denkmal für unsere Zeit – mitten in der Hauptstadt des Europäischen Reichs.
Das Bild eines starken Europas: An den Rändern des Kontinents liegen Menschen – wie von wilden Bestien gerissen. Die Europäer glauben, dass ein böser Meeresgott über das Schicksal dieser Menschen entschieden hat. Dabei sind es ihre eigenen Politiker. Wenn Regierungen offen die »Reduzierung von Flüchtlingsströmen« versprechen, wird die Abwehr Schutzloser noch tödlicher. Früher wurden Abkommen mit Libyen nur von Hardlinern ausgehandelt und es gab keinen Bürgerkrieg. Heute gibt es den libyschen Bürgerkrieg und die EU handelt Abkommen mit vereinten Kräften aus.
Durch die Schleuse der römischen Göttin des Todes gelangen die Plünderer Europas auf allen Vieren in die Arena.
Über dem Denkmal flattert der ursprüngliche Schlachtruf der französischen Revolution im Wind. Der Nachsatz wurde erst später gestrichen.
Das Beförderungsverbot für Flüchtlinge prangt als der EU-Grundsatzartikel am Denkmal. Wenn sich Tiger nähern, kommt es zur Konstellation Naturrecht vor Naturrecht.
Der Mönch Telemachus springt, ganz in weiß gekleidet, in die Arena, um die Spiele in einem Akt zivilen Widerstands zu stoppen. Emily Davison setzt zu Beginn des 20. Jahrhunderts ebenso ihren Körper im Kampf um Gleichheit auf: Sie wirft sich vor das Pferd des Königs und stirbt.
Das römische Strafrecht kennt für Sklaven, Kriegsverbrecher und Staatsfeinde die Verurteilung "zu den wilden Tieren". Diese Strafen werden vor den Gladiatorenkämpfen in den römischen Arenen exekutiert.
Siedler im Kampf gegen Mauern: Eine der Siedlerinnen, die alles verloren hat. Nicht wegen des Krieges in ihrer Heimat, sondern wegen der Mauern Europas. Sie ist wie zwölf andere Flüchtlinge bereit, in die Arena zu steigen, um das große Unrecht zu stoppen. Sie will sich fressen lassen und wendet sich in einer dramatischen Rede an die deutsche Öffentlichkeit. Ihre Tat kann alles verändern, den Ruf des Reiches als Garant der Menschenrechte zerstören – oder ihn retten. Ave imperium europaeum, morituri te salutant.
Der Sommer des Sterbens bricht auch in diesem Jahr an. Und Kontinentaleuropa schaut zu. Hunderttausende stürzen sich in die Arena des Mittelmeers, um Freiheit oder Tod zu finden. Tausende Menschen werden unter den Augen der europäischen Öffentlichkeit von den Fluten gerissen. Wir können das wissen. Wie im alten Kolosseum in Rom gilt auch in der Arena des Mittelmeeres: Wer das Spiel auf Leben und Tod überlebt, gewinnt die Freiheit.
Die Streichung eines einzigen Gesetzesartikels (§ 63 Abs. 3 AufenthG) kann dabei das Massensterben auf dem Mittelmeer jederzeit beenden. Um die Rechtslage zu klären, werden 100 Flüchtlinge ausgewählt, um als Passagiere der »Flugbereitschaft der deutschen Zivilgesellschaft« aus der Türkei zu ihren Liebsten nach Deutschland zu fliegen. Die »Joachim 1« sollte als erste Maschine Flüchtlinge per Direktflug nach Deutschland bringen und den Schleppern das Handwerk legen.
Ein Flugzeug wird gechartert, Behörden informiert und Personendaten der Passagiere an Kanzleramt, Auswärtiges Amt, Innenministerium und BAMF übermittelt. 16 Stunden vor Abflug kündigt unsere Chartergesellschaft »aus Gründen der möglichen Beeintrachtigung der öffentlichen Sicherheit« Deutschlands den Vertrag auf direkten Eingriff des BMI, der Bundespolizei und des Auswärtigen Amtes, wie die Regierung in der Bundespressekonferenz am Ende eingestehen muss.
1. Der deutsche Imperator – die Bundesregierung – verkündet die Entscheidung, ob Flüchtlinge leben oder sterben sollen. Eine ergänzende Stellungnahme dazu findet sich im Plenarprotokoll 18/178.
2. Der Bundestag bekennt sich auf unsere Initiative dazu, dass Flüchtlinge in der Mittelmeer-Arena weiterertrinken sollen. Ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik: eine Künstlergruppe zwingt den Bundestag zur Abstimmung. Die Liste der Abgeordneten, die Deutschlands tödlichstes Gesetz bestätigen, findet sich unten.
3. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums gibt in der Bundespressekonferenz offen zu, dass sein Haus die Bundespolizei bei unserer Fluggesellschaft zur Einschüchterung vorgeschickt hat. Die Airline entscheidet aufgrund derartiger »Kontakte«, unter keinen Umständen im Interesse der Menschheit unsere Kriegsflüchtlinge auszufliegen.
CDU/CSU
1. Max Straubinger
2. Thorsten Frei
3. Barbara Woltmann
4. Große-Brömmer
5. Michaela Noll
6. Ansgar Heveling
7. Florian Hahn
8. Alexander Hoffmann
9. Ingo Gädechens
10. Wilfried Lorenz
11. Jürgen Hardt
12. Gerda Hasselfeldt
13. Michael Stübgen
14. Prof. Dr. Heribert Hirte
15. Hubert Hüppe
16. Michael Vietz
17. Hartmut Koschyk
18. Dr. Klaus-Peter Schulze
19. Matern von Marschall
20. Bernhard Kaster
21. Ursula Groden-Kranich
22. Michael Frieser
23. Armin Schuster
SPD
1. Katja Mast
2. Birgit Malecha-Nissen
3. Andrea Wicklein
4. Heidtrud Henn
5. Bärbel Bas
6. Michael Groß
7. Dr. Karl-Heinz Brunner
8. Wolfgang Gunkel
9. Lars Castellucci
10. Burkhard Lischka
11. Christine Lambrecht
Frontal 21 (ZDF) über die Aktion und Hintergründe
FAMILIE M. AUS ALEPPO:
Menschen gegen Gesetz. Es durchzieht als Grundfrage die gesamte Aktion: Es liegt nicht am Geld oder Willen, dass Flüchtlinge nicht fliegen können. Es liegt an einem Gesetz. Ein Gesetz sorgt dafür, dass Menschen der Natur zum Fraß vorgeworfen werden. Fähren, die vom türkischen Festland auf Lesbos übersetzen, kosten weniger als 10, ein Flugzeug aus der Türkei keine 100 Euro. Schlepper verlangen für dieselben Routen 2.000 Euro und mehr. Verantwortlich ist die EU-Richtlinie (2001/51/EG), die den neuen Gesellschaftsvertrag der EU verkörpert und den Tod von Hunderttausenden Menschen besiegelt.
Hier finden Sie die Chronologie, wie die Europäische Union ohne jede Not ein Beförderungsverbot für Flüchtlinge beschliesst. Im PDF-Format haben wir für zukünftige Historiker:innen die unterschiedlichen Gesetzesentwürfe aufbereitet. Zuletzt: die Anwesenheitsliste bei Verabschiedung.
7.7.2000 Übermittlung des Entwurfs der Richtlinie 2001/51/EG von der Französischen Republik an Rat und Parlament (PDF)
31.7.2000 Revidierte Fassung des Entwurfs vom 7.7.2000 (PDF)
31.8.2000 (= 5.9.2000) Begründung der revidierten Fassung (PDF)
12.9.2000 Konsultierte der Rat das Europäische Parlament gemäß Artikel 67 des EG-Vertrags zu der Initiative der Französischen Republik im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Rates über die Harmonisierung der Geldbußen und Geldstrafen für Beförderungsunternehmen, die Staatsangehörige dritter Länder ohne für die Einreise erforderlichen Dokumente in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verbringen. (CNS: 10701/ 2000 –— 2000/ 0822)
20.9.2000 Amtsblatt Nr. C 269 (PDF)
2.10.2000 Die Präsidentin des Europäischen Parlaments gab in dieser Sitzung bekannt, dass sie diese Initiative an den Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten als federführenden Ausschuss überwiesen hat.
10.-12.10.2000 Mr. Kirkhope (EPP) wird als Berichterstatter ernannt (S.3.). (PDF)
22.-23.11.2000 Protokoll (PDF)
29.11.2000 (= 30.11.2000) Protokoll | Diskurs über den Entwurf des Rates vom 20.9.2000 (PDF)
11.1.2001 Konsultierte der Rat das Parlament gemäß Artikel 67 des EG-Vertrags zu der Initiative der Französischen Republik im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Rates über die Harmonisierung der Geldbußen und Geldstrafen für Beförderungsunternehmen, die Staatsangehörige dritter Länder ohne für die Einreise erforderlichen Dokumente in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verbringen (14074/2000 ––— 2000/0822 (CNS)). Der neue Text dieses Richtlinienentwurfs entspricht dem letzten Stand der Arbeiten im Rat und ersetzt daher den ersten Text des Rates.
16.1.2001 1. Prüfung und Kommentierung über die Änderungen des Richtlinientextes am 29.11.2000.
Die Prüfung des Textes wird in Erwartung zusätzlicher Informationen der schwedischen Präsidentschaft sowohl über den Stand der Aussprachen im Rat als auch über die aktuelle Umsetzung des Artikel 26 des Schengener Abkommens auf eine Sitzung vertagt.
2. Änderungsvorschläge werden bis zum 8.01.2001 entgegengenommen; der Rat hat die französische Initiative am 31.7.2000 vorgestellt.
[..] the EP is now being reconsulted; and consequently the adoption of Mr. Kirkhope’s draft report has had to be postponed. […] main changes introduced in the initial text presented last September by the French Presidency on which Mr. Kirkhope’s draft report was based.
[Deadline für Änderungen ist der 25.1.2001 um 18:00h]. (Protokoll PDF) (Chairmans Note PDF)
5.2.-6.2.2001 Frist für die Änderungsanträge ist nun der 14.2.2001 um 12:00h. (PDF)
27.2.2001 Bericht des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere CHRONOLOGIE 2001/51/EG Angelegenheiten (= LIBE). | Der Ausschuss prüfte die Initiative der Französischen Republik und den Berichtentwurf in seinen Sitzungen vom 22./23.11.2000; 16.1., 5-6.2. und 26-27.2.2001. In der letztgenannten Sitzung nahm der Ausschuss den Entwurf einer legislativen Entschließung mit 16 Stimmen bei 15 Gegenstimmen an. [Anwesenheitsliste im Dokument] (PDF)
13.3.2001 Verfahren der Konsultation wird aufgeführt. [Anwesenheitslisten].(Abstimmung_1 PDF) (Abstimmung_2 PDF) (Abstimmung_3 PDF) (Stellungnahme EUP PDF) (Aussprache PDF)
28.-29.5.2001 2350. Tagung des Rates: Justiz, Inneres und Katastrophenschutz (PDF)
11.6.2001 Richtlinie des Rates zur Ergänzung der Regelungen nach Artikel 26 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (PDF)
19.6.2001 (= 20.6.2001) 2. »Im Hinblick auf die Anwendung dieser Richtlinie kommt der Rat überein, dass die Verwendung einer groben Fälschung oder eine offensichtliche missbräuchliche Verwendung eines Dokuments dem Fehlen eines Reisedokuments gleichgestellt ist. Jeder Mitgliedstaat legt entsprechend, der von ihm verfolgten Praxis fest, inwiefern Verfälschungen oder die missbräuchliche Verwendung von Reisedokumenten erkennbar sind.« (Korrigendum 19.6.2001_1 PDF) (Korrigendum 19.2.2001_2 PDF)
27.-28.6.2001 2364. Tagung des Rates: Verkehr / Telekommunikation (PDF)
28.6.2001 Richtlinie 2001/51/EG (PDF)
23.7.2001 »Der Rat hat die vorgenannte Richtlinie angenommen« (Rechtsgrundlage: Artikel 61 Buchstabe a und Artikel 63 Absatz Buchstabe b des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften). (PDF)
Anwesenheitslisten
28.-29.5.2001 2350. Tagung des Rates: Justiz, Inneres und Katastrophenschutz (PDF)
27.-28.6.2001 2364. Tagung des Rates: Verkehr / Telekommunikation Richtlinie 2001/51/EG (PDF)
4 Tiger schützen die Insel der Glückseligkeit und reinszenieren die historische Schlacht des Europäischen Reichs gegen die Flüchtlinge
Die einzige weltweit nur von Björn Höcke anerkannte Terrororganisation. Wir machen für Sie Stress und radikalen Humanismus. Als Kompliz:in leisten Sie einen unschätzbaren Beitrag zur Erregung öffentlicher Unruhe. Sie erhalten nirgends so viel Aufruhr und Dissens für jeden gespendeten Euro wie bei uns.
Das Bundesinnenministerium hat in Ägypten, Marokko, Tunesien, Pakistan und Afghanistan eine Aufklärungskampagne zu den robusten Sanktionen gegen den Versuch der rechtswidrigen Einreise in die Europäische Union gestartet. Mehr gibt es auf der hauseigenen Webseite.
Matthias Lilienthal, Nils Minkmar & Mely Kiyak
Carl Hegemann & Sascha Marianna Salzmann
»Ein Angriff auf unser Selbstbild: Wenn jetzt das Zentrum für Politische Schönheit uns auffordert, darüber zu bestimmen, wer hineinkommt und wer nicht, dann wird, was die Volksvertreter privaten Unternehmen übertragen haben, an das Volk rückübertragen. Ob das eine glückliche Lösung ist? Es erhellt die Lage, in der wir uns befinden. Und wenn wir erst ein paar tausend Gesichter und Kurzbiografien vorliegen haben und dann bei den einen Daumen hoch sagen und bei den anderen Daumen runter, dann werden wir begreifen, dass wir das Spiel der römischen Imperatoren spielen. Dann begreifen wir auch, dass die europäischen Regierungen dieses Spiel schon seit Jahren stündlich aufführen.«
»All das schlichtweg großes Theater. Das ist‘s was Theater kann: Theater kann Versatzstücke aus der Wirklichkeit nehmen und mit ihnen spielen – auf drastische Weise. Ist das zynisch? Flüchtlinge den Tigern zum Fraß vorsetzen zu wollen? Naja, es ist vielleicht zynisch, es bleibt aber – davon können wir wohl ausgehen – ein symbolischer Akt und der ist so gut gewählt, dass sofort alle die Ohren spitzen.«
»Entscheidend war aber an diesem Mittag im Theater etwas anderes. May Skaf unternahm keinen Versuch, die Theatralität ihres Auftritts zu verhehlen. Sie sprach mit zitternder, manchmal fast schluchzender Stimme. ›Mit Gesetzen zutöten ist das Werk von Feiglingen‹, rief sie, und am Ende: ›Es ist nicht mehr mein Spiel. Es ist ihres. Ihnen bleiben acht Tage.‹
Gerade indem die Schauspielerin die Unterscheidung von Fiktion und Wirklichkeit betonte, gelang ihr etwas Eigentümliches. Die Kunst relativierte sich selbst, ohne einen Zweifel daran zu lassen, dass die grausame Realität, auf die sie mit erpresserischen Mitteln den Blick gelenkt hatte, weiter bestehen bleibt.«
»Wer sich Kampagnen wie ›Flüchtlinge fressen‹ ausdenkt, der hat sich von der Verrohung der Flüchtlingspolitik anstecken lassen!«
»Mit der Tiger-Arena wollen sie an Gladiatorenkämpfe im alten Rom erinnern und an ein Europa der Barbarei. Bis zum derzeitigen Punkt ist die großangelegte und aufwendige Kunstaktion eine mit großer Ernsthaftigkeit durchgeführte Inszenierung. Jeden Abend finden in diesen Tagen Salons statt, sowohl der Berliner Kulturbetrieb als auch Politiker der Oppositionsparteien nehmen daran teil. Die Diskussion ist entfacht.«
»Das, wovon die Story erzählt ist natürlich real. Die Story erzählt von Menschen, die im Meer ertrinken, weil sie keine sicheren Verkehrsmittel benutzen dürfen. Nun kommt das ZPS und erklärt sich für nicht einverstanden. Keine 2 Tage später twittert der Innenminister. Die BILD lässt Behördenleiter vom Grünflächenamt verrücktes Zeug erzählen. Und am Donnerstag wird im Bundestag § 63 diskutiert. Ja, es ist Kunst. Kunst, die uns erzählt, wo das eigentliche Theater stattfindet.«
»Das ZPS wirft einen Stein ins Wasser – und niemand kann vorhersagen, welche Wellen er schlägt. Durch das Prinzip des ›aggressiven Humanismus‹, wie ZPS-Chefdenker Philipp Ruch seine Grundhaltung bezeichnet, wird eine inhumane Politik gezwungen, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Und alle Beteiligten genötigt, in ihren Rollen sichtbar zu werden – als Dulder, Wegseher, Mittäter.«
»So wie sich die Passanten vor der Manege im dekadenten römischen Zirkuspublikum wiedererkennen sollen, werden Journalisten, die das einzige Publikum darstellen, dazu genötigt, über ihre eigene Rolle nachzudenken. Instinktiv mögen sie sich dagegen wehren. Doch am Ende bleibt der Blick wider Willen dort hängen, wohin er gezwungen wurde: an der ausweglosen Situation vieler Flüchtlinge und der widersprüchlichen Haltung der europäischen Staaten. Das hinzukriegen ist keine kleine Leistung inmitten einer Öffentlichkeit, die sich seit Monaten mit der ›Flüchtlingskrise‹ beschäftigt und dabei in Gefahr ist, für das Nächstliegende blind zu werden.«
»Man kann das natürlich platt finden. Aber fakt ist, dass die Plattheit der Reaktionen diejenige der künstlerischen Konzepte bis dato leider noch immer um ein paar sehr erhellende Grade überstiegen hat. Auch angesichts des Tigerkäfigs dauerte es keinen Tag, bis besorgte Bürger, Institutionen und Medien sich – quasi hundertprozentig nach impliziter ZPS-Storyline – eher nach dem Tierschutz erkundigten als nach dem Schutz derer, die sich von den Tieren fressen lassen sollen.«
»Die Arena vor dem Maxim Gorki Theater ist dabei nur die spektakuläre Kulisse des Projekts, das mit einem Image-Film im Netz beginnt, durch Online-Abstimmung dramaturgische Steigerung erfährt und seinen Höhepunkt in die Bundestagssitzung am 24. Juni verlegt. Ob es danach zur Katastrophe kommt (Stichwort Tiger) oder zur Katharsis (Stichwort Joachim 1, dazu gleich mehr) entscheidet sich dort. Kunst kann Horizonte öffnen, aber Asylpolitik bleibt ein Staatsstück. ›Wir proben beides, Utopie und Dystopie‹, sagte André Leipold vom ZPS auf einer im Theater einberufenen ›Bundeserpressungskonferenz‹.«
»Zu der mit dem Mitteln des Theaters vorgeführten sozialen Situation muss man sich verhalten. Daran kam in seinem überraschend klaren Statement auch das um schwammige Formulierungen selten verlegene Bundesinnenministerium nicht herum: ›Es handelt sich um eine geschmacklose Inszenierung, die auf dem Rücken der Schutzbedürftigen ausgetragen werden soll.‹ Worte, die eine ebenso unfreiwillige wie bittere Komik bergen: Ließe sich nicht genau so auch diese Farce namens EU-Türkei-Pakt beschreiben, unter der so viele Hilfe suchende Menschen leiden?«
»Es liegt jetzt an uns: Verharren wir in der Abwehr oder lassen wir uns ein auf den Gedankenweg, auf den diese künstlerischen Aktivisten uns führen wollen. Sagen wir: Die Aktion ist zynisch! Oder sagen wir: Die Realität unserer Gesetze, die es keinem Flüchtlinge ermöglicht, ohne Aufenthaltsvisum in ein Flugzeug zu steigen, sondern sich auf den todbringenden Weg über das Mittelmeer zu begeben, diese Realität ist zynisch.«
»Einen Moment stellt man sich vor, wie sie alle kommen würden und gaffen, wenn es wirklich blutig würde. Vielleicht ergreift uns das Spektakel ja viel mehr, als das Schicksal der Flüchtlinge weit weg in Syrien es vermag. Aber vielleicht ist auch diese entlarvende Vorstellung Teil der Inszenierung.«
»Ich habe das als richtig empfunden, dass es in dieser blutigen Zeit das Theater nicht in den schönen Schein ausweicht, sondern versucht, Realität aufzugreifen.«
»Die verfassungsrechtlichen Bedenken spielen in der Rechtsprechung jedenfalls mittlerweile keine erkennbare Rolle mehr. Vielleicht trägt die Kunstaktion des ZPS dazu bei, diese notwendige Diskussion wiederzubeleben.«
»Am Ende bleibt eine Show übrig, die zeigt: De Maizière will keine Syrer mehr kommen lassen, und es ist ihm scheißegal, was aus ihnen wird. (...) Nichts spricht dagegen, immer wieder an das Flüchtlingssterben zu erinnern, und für große Gesten ist Theater nun mal da.«
»Hat das ZPS hier vielleicht doch, ultimative Künstler-Eitelkeit hin oder her, einen Nerv getroffen?«
»Diese Inszenierung lässt nicht zu, dass wir nach der Vorstellung zufrieden nach Hause gehen, weil uns die Präsentation ästhetisch so gut gefallen hat.«
»Das Zentrum für politische Schönheit wagt mit seinen Aktionen einen Spagat zwischen Fiktion und Realität, zwischen Utopie und Realpolitik. Politische Aktionskunst wird dadurch zum gesellschaftlichen Korrektiv, das mit einem allzu höflichen Einsatz für die Menschenrechte brechen will.«
»Diese auf Dringlichkeit, Unmittelbarkeit und Kompromisslosigkeit abzielende Aktion entzaubert den Verdrängungskünstler im Menschen. Nach dem Blick auf diesen Tigerkäfig und mit den schnell einsetzenden Assoziationen, dass da Menschen zerfleischt werden könnten, ist ein Ausweichen nicht mehr möglich.«
»Wer sagt, dass diese Kunstaktion zynisch oder brutal sei, der solle sich ernsthaft fragen, wieviel zynischer das von der Politik einkalkulierte Massensterben ist.«
»Erst kommt das Fressen, dann die Moral, wusste schon Bertolt Brecht. Aber ob er sich das so vorgestellt hat?«
»Der grenzenlose Selbstgerechtigkeitswahn der Aktivisten in Sachen ›Moral‹, wie sie sie verstehen, ist schlicht unerträglich. (...) Und künstlerisch ist der Mehrwert gleich Null.«
»Trotz aller Kritik an der Umsetzung kommt man um ›Flüchtlinge fressen‹, und das ist der große Verdienst der Aktion, nicht herum. Sie hat einen Diskursraum geöffnet, in dem das Innenministerium mitmischt, CDU-Abgeordnete, die deutsche Presselandschaft, Passanten, das Straßen- und Grünflächenamt, welches die Arena abgebaut sehen möchte.«
»Die Aufgabe von Kunst ist nicht, bequem zu sein.«
»Die Botschaft von ›Flüchtlinge fressen‹ ist denkbar einfach: wir sind in der Lage, das Massensterben im Mittelmeer jederzeit sofort zu stoppen. Mit der Streichung eines einzigen Absatzes im Aufenthaltsgesetz (§ 63 Abs. 3) verhindern wir alle zukünftigen Opfer im Mittelmeer.«
»Die Frage nach einer humanistischen Asylpolitik ist dagegen keine Frage des Geschmacks. Die europäische Abschottungspolitik ist nicht geschmacklos, sie ist tödlich.«
Frankfurter Rundschau Aktivisten fliegen Flüchtlinge nach Europa, Fraglos Theater
Spiegel Online Mit Tigern gegen Gesetze, Protest nach Gladiatorenart
ZDF heute Und zum Abendessen das Grundgesetz
Berliner Zeitung Der Bezirk Mitte könnte auch wegschauen, Springen die Flüchtlinge wirklich in den Tigerkäfig?, Syrische Schauspielerin will sich von Tigern fressen lassen, Warum fliegen Flüchtlinge nicht mit dem Flugzeug?, Schönheit soll Tigerkäfig abbauen, Tiger-Arena wird nicht abgebaut, sondern vergrößert, Springen die Flüchtlinge wirklich in den Tigerkäfig?, Der Mordparagraf 63, die Tiger und die Flüchtlinge
Süddeutsche Zeitung Sie sind nicht mehr da, Aktion »Flüchtlinge fressen« endet mit erhellender Enttäuschung
taz Leider keine Übertreibung, Der Flieger bleibt unten, Dann kommt da ein Grill hin
Tagesspiegel »Wir wollen den Menschen den Appetit verderben«, Reißzahn im Regierungsviertel, Gratwanderung zwischen Kunst und Aktivismus, Tigerkäfig muss abgebaut werden, Die Tiger sind immer noch da, Aktion »Flüchtlinge fressen« präsentiert Freiwillige, Mit Verstörung gegen die europäische Mauer
Stern Flüchtlinge als Tiger-Futter
ZEIT Menschenopfer mit Tiger, vorne rechts!
Neues Deutschland Flüchtlinge Fressen, Politisierung von Kunst?, Flüchtlinge sind Europa zum Fraß vorgeworfen, Flüchtlinge Fressen - Provokante Kunstaktion, Wie schmecken Flüchtlinge?, Keine Toten bei »Flüchtlinge fressen«
tell Wo beginnt Zynismus?
rbb|24 »Ich werde mich von Europa fressen lassen«, Neue Aktion: »Wir suchen Flüchtlinge, die bereit sind, sich fressen zu lassen«, Zwei Flüchtlinge wollen sich angeblich fressen lassen, Der Tigerkäfig bleibt stehen, »Das Flugzeug wird einfliegen - so oder so«, »Jeder weiß, dass niemand gefressen wird«, Bezirksamt entzieht Sondererlaubnis
rbb Kulturradio »Füchtlinge fressen« - Aktion
Berliner Morgenpost Was darf Kunst? Pro und Contra, Vor dem Gorki Theater sitzen immer noch die Tiger
B.Z. Wird die umstrittene Künstler-Aktion heute abgebrochen?, Syrische Schauspielerin: »Darum würde ich mich von Tigern fressen lassen«, Air Berlin sagt Sonderflug zu »Flüchtlinge Fressen« ab, Kein Flüchtling zerfleischt – Provokante Kunstaktion unblutig beendet
Monopol Magazin Innenministerium: »Flüchtlinge fressen« ist »zynisch«, Unblutiges Ende der Kunstaktion »Flüchtlinge Fressen«
Die Welt Künstler drohen, Flüchtlinge an Tiger zu verfüttern, Die Flüchtlinge sind ein gefundenes Fressen
n-tv Künstler wollen 100 Syrer einfliegen lassen, Flüchtlinge werden nicht gefressen: Air Berlin kündigt den Vertrag
Deutschlandradio Kultur Was steckt hinter der Aktion des Zentrums
ze.tt Künstlerkollektiv will Geflüchtete Tigern zum Fraß vorwerfen
art-magazin »Flüchtlinge Fressen«, Wer ist jetzt zynisch?, Tränen statt Blut
Deutsche Welle Provokante Kunstaktion geht weiter
Kronenzeitung Syrerin droht: »Lasse mich von Tigern fressen«
Die Achse des Guten Das angekündigte Selbstmordattentat auf den Rechtsstaat, Das große Fressen: Berlin auf dem Weg in die spätrömische Dekadenz, Die Tiger-Nummer: Gibt es am Gorki-Theater intelligentes Leben?, Völkerschau 4.0 im Maxim-Gorki-Theater
Deutsche Welle Kein »Flüchtlinge fressen« - Provokante Kunstaktion vor dem Aus?
3sat »Europa zum Fraß vorwerfen« Streit um Aktion »Flüchtlinge Fressen« in Berlin, Kulturzeit Showdown einer Kunstaktion »Flüchtlinge Fressen« / Sonderflug abgesagt
jetzt.de Ob Flüchtlinge in Zukunft mit dem Flugzeug kommen dürfen, entscheidet heute der Bundestag
Mely Kiyak Theaterkolumne embedded
Die Presse Flüchtlinge als Tigerfutter: Streit in Berlin
Der Standard Tigergehege muss geräumt werden, »Das hat uns einen Spiegel vorgehalten«
FAZ Doch kein »Flüchtlinge fressen« in Berlin, Die Tiger drücken ihr Bedauern aus
WDR Sonderflug zur Kunstaktion abgesagt, »Flüchtlinge Fressen« in Berlin zu Ende
verfassungsblog.de Flucht aus der Grundrechtsbindung: »Flüchtlinge fressen« und das ausländerrechtliche Beförderungsverbot
Nachtkritik Skandale ungewisser Größenordnung
artmagazine Flucht vor der Flüchtlingskunst
Merkur Verhasste, geliebte Technokratie
Radio
Deutschlandradio Die Tiger warten, Michael Laages über die jüngste Aktion des Zentrums für Politische Schönheit
Inforadio »Herzbewegend« - Peymann lobt »Flüchtlinge Fressen«
rbb Oliver Soos vor dem Finale der Aktion, Oliver Soos über das Finale der Aktion
Bayern 2 Kulturwelt
WDR 5 Scala Gedanken zur Aktion Flüchtlinge Fressen
Radio Eins Interview mit Cesy Leonard, Aktionsstart Flüchtlinge Fressen - Not und Spiele, Der Kommentar - Brigitte Fehrle
Deutschlandfunk Kultur heute, Korso Gespräch mit Christiane Kühl über Flüchtlinge Fressen, Andrea Handels vom Showdown
Deutschlandradio Kultur Die neue Aktion Flüchtlinge Fressen, Kompressor: Flüchtlinge zum Fressen gern haben
hr2 Kultur Die Kultur Presseschau
Kulturradio am Morgen Kunst oder politische Agitation
International
Deutsche Welle Political art group sets up Roman-style arena for refugees to be devoured by tigers
Europe Online Magazine Refugee airlift linked to man-eating tiger installation cancelled
The Wire Why One Woman Plans to Walk Into a Cage of Tigers in the Middle of Berlin
NPR Berlin Life In Berlin: The Center For Political Beauty Sharpens Its Teeth Once Again
Exberliner Feeding on refugees: The Center for Political Beauty
SputnikNews »Devour the Refugees«: Hungry Tigers to Eat Live Migrants in Berlin Protest
wn.com »Devour the Refugees«: Hungry Tigers to Eat Live Migrants in Berlin Protest
newsonplace.com »Devour the Refugees«: Hungry Tigers to Eat Live Migrants in Berlin Protest
presstv.ir Activists perform with tigers to protest EU refugee policy
DW.com »Tigers eat refugees« performance ends without bloodshed
Arabisch
arabingermany.com بسبب-اللجوء-في-ألمانيا-ممثلة-سورية-تقد
RT Arabic ببالفيديو.. ممثلة سورية تعرض نفسها طعاما للنمور احتجاجا على ظروف اللاجئين
anapress ععمل فني ضد سياسة استقبال اللاجئين بمشاركة فنانة سورية ونمور ليبية مفترسة
Orient-News.net منظمة ألمانية تدعم اللاجئين عبر النمور المفترسة!
ChamTimes.com تعاطفاً مع اللاجئين.. مي سكاف سترمى “قربان” لنمور مفترسة
nafeza2world.com إلغاء رحلة جوية لنقل لاجئين إلى ألمانيا بسبب فعالية فنية ضد سياسة استقبال اللاجئين
Andere
Pressenza Il Centro per la Bellezza Politica: arte, creatività e diritti umani
El Pais Tigres en Berlín para »devorar« refugiados
il Giornale A Berlino spunta un'arena con le tigri per »mangiare« i rifugiati
SputnikBR »Devorar refugiados«: grupo realiza ação polêmica em Berlim
information.dk Vil du spises af en tiger?
Life.ru В Берлине беженцев обещают скормить тиграм
riafan.ru Беженцев в Берлине отдадут на съедение тиграм
vladtime.ru В Берлине активисты пообещали скормить беженцев тиграм
»Kann es sein, dass in Berlin, einer Stadt mit mehr Theatern als irgendeine Stadt in Deutschland, eine Stadt, in der seit Jahrzehnten die unterschiedlichsten Formen politischer Ästhetik praktiziert werden, der Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes darüber bestimmt, was Kunst ist? Kann es sein, dass hier dekretieren kann, dass wer von ›Flüchtlingen‹ redet, automatisch nichts als politische Agitation betreibt?«
»Mit ›Flüchtlinge fressen‹ piekst das Künstlerkollektiv ›Zentrum für politische Schönheit‹ derzeit Berlin ins Gewissen: Sie lässt Tiger im Zentrum rumspazieren, spannt den Bundestag ein und blamiert den Senat.«
»Die Grenzen sind aufgelöst, und was radikal daherkommt, wie die Versuchsanordnung mit großen Raubkatzen, rutscht leicht ins Banale ab. (...) Nichts ist passiert. Und natürlich flog auch keine Chartermaschine aus der Türkei nach Berlin, mit 100 Flüchtlingen an Bord, die keine Papiere haben. Alles Schwindel, falscher Alarm. Am Ende der logistisch beeindruckenden Darbietung stand eine Ente. Eine Tiger-Ente.«
»Rechnet noch jemand damit, dass Präsident Gauck ein Machtwort gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik spricht, im Namen der Menschlichkeit? Eher nicht. Sein Porträt hängt zu Recht im Tigerkäfig.«
»Das Innenministerium teilt mit, dass es sich bei der Aktion um eine 'geschmacklose Inszenierung auf dem Rücken von Schutzbedürftigen' handele. Das finde ich auch. Mit welchem Recht behauptet der Innenminister, dass 70 % der Flüchtlinge unter 40 Jahren vor einer Abschiebung als krank und nicht transportfähig erklärt werden? Diese Zahl ist, so hat sich herausgestellt, erstunken und erlogen. Oder anders formuliert: eine geschmacklose Inszenierung auf dem Rücken von Schutzbedürftigen.«
»Das Zentrum für politische Schönheit will uns klarmachen, dass dieses Gesetz Menschen tötet, dass wir dieses Gesetz abschaffen müssen, wenn wir aufhören wollen, Mörder zu sein. (...) ›Flüchtlinge fressen‹ ist Theater. Wir können aufatmen. Wenn jetzt noch der § 66 Abs. 3 gekippt wird, gehen wir alle feiern.«
»Auch wenn es richtig ist, den Ball nun an das Publikum zurückzuspielen – jene, die dem Sterben im Mittelmeer zuschauen, ohne selbst davon betroffen zu sein, bleibt unklar, wer zukünftig wo welche Verantwortung übernehmen soll. Die Bundesregierung hat sie erneut abgelehnt.«
»Am 28. Juni sollte ein Flugzeug von Berlin-Tegel nach Antalya in der Türkei fliegen, um von dort syrische Flüchtlinge nach Berlin zu bringen. Sie sollten keine Ausweispapiere vorzeigen müssen. Der Transport hätte also gegen den Paragrafen 63 des Aufenthaltsgesetzes verstoßen. Vor allem aber hätte er gezeigt, dass die Toten im Mittelmeer nicht Opfer der See, nicht Opfer verbrecherischer Schlepperunternehmer sind, sondern dass eine EU-Richtlinie dafür sorgt, dass sie den Banden und der Natur zum Fraße vorgeworfen werden«
»Doch zuvor hatte die Menge der Schauspielerin mit einer Atemlosigkeit zugehört, wie sie ohne den gewaltigen Aufwand an Fiktions- und Realitäts-Vermischung, den die Aktivisten getrieben hatten, vielleicht nicht möglich gewesen wäre. Diente der Ausgriff in die Politik also letztlich bloß der Kunst, dem intensiveren Erleben eines dramatischen Textes?
Oder war umgekehrt die Kunst nur der Hebel, um die politischen Verhältnisse in eine bestimmte Richtung hin zu bewegen?«
»Die Drastik der Mittel ließ keinen Zweifel: alles ›nur‹ Kunst. Und doch lancierte das ZPS die Frage nach der Universalität der Menschenrechte mit einer erfrischenden Naivität, wie sie sich Mandatsträger selten erlauben.«
»Die Kunstaktion Flüchtlinge fressen hat die Praxis, die Kontrolle der Einreise von Ausländern ohne Aufenthaltstitel den Fluggesellschaften aufzubürden, in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zurückgeholt.«
»Allein, dass es Menschen gibt, die (...) bereit sind, als Akt des Protests zu sterben, sollte deutlich machen, wie inhuman die herrschende Politik agiert – wie schuldig die Regierenden sich tagtäglich machen.«
»Es ging einzig darum, sich des strafrechtlich relevanten Vorwurfes der Beihilfe zum mehrfachen Suizid schuldig zu machen. Kommende Historiker werden nämlich irgendwann feststellen, dass dies exakt wiedergibt, wie wir uns des Mittelmeeres bedienten: wir machen uns alle der massenhaften Beihilfe zum Suizid schuldig. Es gibt ein Gesetz, das Menschen in tiefster Not verbietet, die einfachsten Transportmittel zu benutzen, um in Sicherheit zu gelangen.«
»Es liegt jetzt an uns: Verharren wir in der Abwehr oder lassen wir uns ein auf den Gedankenweg, auf den diese künstlerischen Aktivisten uns führen wollen. Sagen wir: Die Aktion ist zynisch! Oder sagen wir: Die Realität unserer Gesetze, die es keinem Flüchtlinge ermöglicht, ohne Aufenthaltsvisum in ein Flugzeug zu steigen, sondern sich auf den todbringenden Weg über das Mittelmeer zu begeben, diese Realität ist zynisch.«
»Mental stecke ich wohl noch im Tigerkäfig fest und schüttele den Kopf. Weil: Ich habe die ganze Aufregung um die simple und auf Effekt getrimmte Protestaktion nicht verstanden. Hauptsache Erregungswellen in den alten und neuen Medien erzeugen. Okay, über Geschmack lässt sich angeblich nicht streiten, aber ich fand 'Flüchtlinge fressen' einfach überflüssig. Die Performance war mir nicht radikal genug. Sie hat niemand wirklich wehgetan. Wie auch? War ja klar, dass da kein Mensch wirklich gefressen werden würde.«
»Was soll das sein? Ohnmacht, Wut, totale Verzweiflung? Die zynisch-barbarische Verkehrung unserer barbarisch-zynischen Wirklichkeit? Das Problem der ZPS-Ästhetik ist, dass man ihr erst glauben kann, wenn etwas passiert und die Tiger einem Flüchtling öffentlich den Kopf abbeißen. Dann herrschten in Deutschland tatsächlich Verhältnisse wie im alten Rom oder zumindest wie in Zeiten der RAF. Das will niemand. Und so wird es bis auf Weiteres beim symbolischen Kunst-Geplänkel bleiben, Flüchtlinge hin oder her.«
»Hat irgend jemand ernsthaft geglaubt, dass Menschen in den Tigerkäfig am Gorki Theater gehen, um sich für eine Kunstaktion zerreißen zu lassen? War das überhaupt Kunst, was das Zentrum für politische Schönheit unter dem Motto ›Flüchtlinge fressen – Not und Spiele‹ zwei Wochen lang in Berlin aufgeführt hat?«
»Ein Touch von Weltuntergang liegt über allem. Am Tigerkäfig läuft der Countdown. So entsteht ein Szenario der Dringlichkeit, das kein Argument, kein Zögern, keinen Widerspruch zulässt. Und das suggeriert, man stehe an einem historischen Scheideweg und müsse wählen. Eine rhetorische Taktik, die übrigens auch der ›Islamische Staat‹ gern benutzt. Der aggressive Humanismus der Aktionskünstler zeigt hier seine totalitäre Seite.«
»Das Zentrum für politische Schönheit doppelt mit seinem zirzensischen Zynismus eine zynische Politik, surft auf einer medialen Erregungswelle, verschwindet schließlich in ihren Wirbeln. Für die Sichtbarkeit und Verstehbarkeit der Welt, vielleicht für deren Veränderung, kann sie nichts ausrichten.«
»Würden da die Forderungen des Zentrums für Politische Schönheit eins zu eins umgesetzt, da würden wir Flüchtlingszahlen bekommen, die alles, was wir bisher gesehen haben, weit in den Schatten stellen. Wie weit Europa dann vermutlich noch nach rechts rücken würde, das mag man sich kaum ausmalen (...) eigentlich wäre eine vernünftige Analyse wichtig: wie viele Flüchtlinge kann eine Gesellschaft aufnehmen, ohne an die eigenen Grenzen zu kommen, ohne die eigene gesellschaftliche Stabilität auf’s Spiel setzten zu müssen?«
»Es scheint, als habe das Zentrum mit ihrer kontroversen Aktion schon jetzt deutlich mehr Medienaufmerksamkeit bekommen, als sie mit einer einfachen Demonstration erreicht hätten. Für das Anprangern politischer Missstände scheint die Gruppe in der Kunst ein geeignetes Mittel gefunden zu haben.«